Jede Sekunde wird weltweit eine LKW-Ladung Alttextilien verbrannt oder auf der Deponie entsorgt. LKWs sind wesentlich am immer schnelleren Zustrom immer kurzlebigerer Modeartikel beteiligt. Die letzten Kilometer dieses sich immer weiter beschleunigenden Prozesses werden in der Logistik als »Fulfillment« bezeichnet.
Ein großes Versprechen, finden die Veranstalter, der Verein „Bis es mir vom Leibe fällt“. Ihm will dieses Kunstprojekt auf den Grund gehen, indem sie nicht einen LKW mit Alttextilien beladen, sondern ihn langsam aus diesen weben, tuften und nähen — und zwar gemeinsam mit Euch, dem Publikum.
Und verbunden mit dieser Tätigkeit einen fruchtbaren Austausch von Dingen, Techniken, Ideen und Handlungsweisen in Gang setzen.
Von 15. bis 31. Mai wird täglich außer Sonntags an der Sattelschlepper-Skulptur gearbeitet (10 bis 18 Uhr). Begleitend dazu gibt es auch ein spannendes Diskursprogramm in Kooperation mit der Steirischen Kulturinitiative:
Das Projekt IN SEARCH OF FULFILLMENT möchte das Bewusstsein dafür schärfen, wie der Online-Handel nicht nur zur Beschleunigung der ressourcenvergeudenden und umweltschädlichen (Ultra) Fast Fashion beiträgt, sondern unsichtbar unser aller Leben durchdringt. Ausgehend von der Bezeichnung der Online-Logistik als “Fulfillment” fragt es nach der Rolle des uralten Traums vom nie versiegenden Nachschub in Zeiten des Klimawandels und der Ressourcenknappheit und versucht, zu alternativen Handlungsmöglichkeiten und Wegen zum “erfüllten” Leben anzuregen: mit einer niederschwelligen, positiv-emotionalen, kreativen und auffälligen Gemeinschaftsaktion im öffentlichen Raum – zu Umweltthemen, die uns alle betreffen und die jede:r auch relativ leicht bei sich ändern kann!
Zentrum des Vorhabens steht die schrittweise kollaborative Herstellung einer LKW-Skulptur aus Alttextilien und entsorgten Schuhen: ein Objekt, das auf den Apparat hinter unserem “unbehaglichen” Wohlstand verweist. Anhand der gemeinsam produzierten textilen Skulptur, werden zugleich handwerkliche Fertigkeiten vermittelt, die sich zu einer lebensverlängernden Transformation von Textilien eignen und darüber hinaus erwiesenermaßen Spaß und Freude bereiten. Vertieft werden die Fertigkeiten in einer Reihe von Workshops (Weben, Tuften, Upcycling, Spitzenherstellung, Lederbearbeitung…). Zugleich wird geredet: Es werden konkrete Möglichkeiten der Verhaltensänderung vermittelt und Beratung zu Konsumverhalten geboten, in Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen über die Mechanismen des Online-Handels, seine ökonomischen und ökologischen Folgen, die Auswirkungen von Fast Fashion und die Wurzeln unseres Strebens nach Fülle und Erfüllung informiert und überhaupt der Austausch auf allen Ebenen gepflegt. Man könnte so gesehen vielleicht sogar von einer sozialen Plastik sprechen.
Nach der erfolgreichen Berliner Kickoff-Veranstaltung im September 2023 werden im Mai 2024 am zentralen Mariahilferplatz der Stadt Graz zwei Wochen lang hunderte Personen täglich persönlich in das Thema verwickelt. Workshops (handwerkliche und verhaltensbezogene) mit Anmeldung für Schulen und Privatpersonen, Seminare/Lecture Performances vertiefen die erworbenen Fähigkeiten und Erkenntnisse. Eine „Retourenkette“ genannte Stadtrauminszenierung mit Publikumsbeteiligung, von und mit Daniel Wetzel und Linn Günther (Rimini Protokoll) unter Mitwirkung von Vortragenden aus dem Diskursprogramm, soll Praktiker:innen und Theoretiker:innen, Laien und Profis zusammenführen.
Das Projekt ist partizipativ angelegt. Jede:r kann an der LKW-Skulptur im öffentlichen Raum “mitbauen” und wird dabei Teil eines kollaborativen Kunstprojektes. Neben dem allgemeinen Publikum werden speziell Jugendliche, Menschen in Sozialprojekten und Bildungszusammenhängen sowie (Pädak)-Studierende angesprochen (in Verbindung mit der Bildungstätigkeit von Bis es mir vom Leibe fällt und in Kooperation mit Medienpartner:innen wie Ö1, ORF, etc.). Es wendet sich aber auch an einschlägige Gruppen wie Textilkünstler:innen, die Zero-Waste-Szene und Upcycling-Community, Kleidersammelinitiativen, Klassen aus Schulprojekten sowie universitäre Einrichtungen.
In Verbindung mit dem internationalen Partnerprojekt future.repair.machine, gehostet vom Dramatiker:innenfestival. In Kooperation mit Kunst im öffentlichen Raum, Designmonat Graz u.a., Hauptsponsorin: Steiermärkische Sparkasse. Nähere Infos siehe hier.