Ausstellung 24/7: 25 nationale und internationale Künstler*innen beschäftigen sich mit dubiosen Arbeitsverhältnissen, unsichtbarer Arbeit, die meist von Frauen erledigt wird, und der scheinbaren Freiheit von Homeoffice und Selbstständigkeit. Auch die oft prekäre Situation und Ausbeutung von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen, die sich in einem Dilemma zwischen Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung befinden, spielt in der Schau eine Rolle.
Performance: 200 Jahre nachdem der britische Unternehmer und Sozialist Robert Owen die Bewegung für den Acht-Stunden-Tag ins Leben gerufen hat, erleben wir eine neue Ära der Arbeitswelt. Die digitale Technologie und die sich wandelnde Natur der Arbeit haben eine flexible, aber auch prekäre Wirtschaft geschaffen. Der traditionelle Begriff von „Arbeit“ ist nicht länger an einen bestimmten Ort oder feste Zeiten gebunden. Die Arbeit ist in alle Bereiche unseres Lebens eingedrungen, und oft fällt es schwer, zu definieren, was Arbeit ist und was nicht. New Work* ist das Schlagwort der Stunde. Punchcard Economy: 8 Hours Labour von Sam Meech ist eine künstlerische Reflexion über Owens Erbe und die gegenwärtige Realität.
MEHR INFOS ZUR AUSSTELLUNG UND ZUR PERFORMANCE
24/7 Arbeit zwischen Sinnstiftung und Entgrenzung
Die Arbeitswelt hat sich in unserer heutigen Gesellschaft drastisch gewandelt. Im Zeitalter angebotener 24/7-Zugänge sind traditionelle Arbeitszeiten längst nicht mehr die Norm. Fahrradbot*innen, ehemals ein Symbol für physische und flexible Arbeit, sind nun Teil der digitalen Lieferrevolution und bestimmen in knalligen Farben gekleidet das Bild westlicher Städte.
Doch trotz der scheinbaren Freiheit von starren Strukturen und Stechkarten kämpfen viele Arbeitnehmende weiterhin um gerechte Bedingungen. Unsichtbare Arbeit wie unbezahlte Haus- und Fürsorgearbeit, häufig von Frauen geleistet (was nicht zuletzt zu einem enormen Gender-Pension-Gap führt), ist auch gegenwärtig ein gesellschaftliches Problem und zeigt die Notwendigkeit feministischer Perspektiven in der Arbeitsdebatte, um Ungleichheiten und Ausbeutung anzusprechen.
Auch wenn Hammer und Sichel, einst Symbole des Arbeitskampfes, heute zu historischen Relikten geworden sind, ist der Kampf um faire Löhne und sichere Arbeitsbedingungen heute umfassender, globaler und aktueller denn je. Gleichzeitig sind Begriffe wie New Work, 4-Tage-Woche und Work-Life-Balance in aller Munde. Leere Worthülsen und Wohlfühlthemen einer digitalen Bohème oder realistische Forderungen in einer Zeit höchster Belastung, die alle Berufsgruppen stellen können und die die Dynamik zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen nachhaltig verändern werden?
Arbeit ist jedoch nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu sehen, sie kann und sollte auch eine Quelle von Sinn und Erfüllung im Leben eines Menschen sein, unsere Identität und unser Selbstverständnis prägen. Der Traum von der Befreiung der Arbeit von ökonomischen Zwängen wurde von dem deutschen Philosophen und Sozialtheoretiker Herbert Marcuse Ende des 20. Jahrhunderts geprägt: Während in der heutigen Konsumgesellschaft, in der die Menschen auf materiellen Besitz fokussiert sind, die Arbeit zu einem bloßen Mittel zum Zweck wird, um den Konsum zu ermöglichen (was wiederum zu einer oberflächlichen und entfremdeten Lebensweise führt), könnte eine Gesellschaft, in der die Arbeit nicht mehr das zentrale Element im Leben ist, den Menschen mehr Zeit für persönliche Entfaltung, kulturelle Aktivitäten und kreativen Ausdruck lassen.
Die Veränderungen in der Arbeitswelt, die unsere Gegenwart prägen, sind komplex und vielschichtig und spiegeln die Anpassungsfähigkeit und die anhaltende Suche nach Gleichgewicht in einer sich ständig verändernden Welt wider. In einer nicht zu fernen Zukunft werden Technologien wie KI und Automatisierung die Arbeitswelt weiter verändern und neue Herausforderungen mit sich bringen, die erneut einen sozialen und politischen Diskurs erfordern. Doch steht Arbeit tatsächlich an der Schwelle zur Immaterialität oder besteht nicht eher die Gefahr, dass auf jene körperliche, geistige und emotionale Arbeit, die mit unzähligen Bereichen unseres Lebens verbunden ist, vergessen wird? Kann harte Arbeit durch Körper und Hände möglicherweise bald von Maschinen übernommen werden und sind wir vielleicht an einem Punkt, an dem Marcuses Vision Wirklichkeit werden könnte?
Die Ausstellung untersucht schließlich auch die oft prekären Aspekte künstlerischer und kultureller Arbeit und stellt Fragen nach der Verwischung der Grenzen zwischen Selbstausbeutung und Selbstverwirklichung. Ein Teil der Ausstellungsfläche steht Neuproduktionen und performativen Kunstprojekten zur Verfügung, die die Ausstellung während ihrer Laufzeit wachsen lassen. Eine in Koproduktion mit dem Museum für Geschichte entstandene Arbeit stammt etwa von den Filmemacher*innen Simon Nagy und Lia Sudermann, die sich mit Beständen aus dem Fotoarchiv Blaschka beschäftigen. Unter dem Titel Alles Arbeit erzählt das Museum für Geschichte parallel zur Ausstellung im Kunsthaus anhand der dokumentarischen Bilder Egon Blaschkas, die dieser in den 1950er-Jahren vor allem in seiner Funktion als Pressefotograf der Kleinen Zeitung gemacht hat, von der Schieflage in der Arbeitswelt und den massiven Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, die bis heute bestehen.
Künstler*innen der Ausstellung:
Maja Bajević, Julien Berthier, Louisa Clement, Manuel Correa & Marina Otero Verzier, Jeremy Deller, Antje Ehmann & Harun Farocki & Eva Stotz, Aldo Giannotti, Liam Gillick, Lisa Großkopf, Andreas Gursky, Michael Hieslmair & Michael Zinganel & Theresa Hattinger, Tehching Hsieh, Johanna Kandl, Peter Kogler, KURS (Miloš Miletić, Mirjana Radovanović), Luiza Margan, Pia Mayrwöger, Sam Meech, Michail Michailov, Elisa Giardina Papa, Nika Radić, Martha Rosler, Sebastian Schmieg & Silvio Lorusso, Christoph Schwarz, Selma Selman, Santiago Sierra, Lia Sudermann & Simon Nagy, Oliver Walker
Sam Meech: Punchcard Economy: 8 Hours Labour, 2024
Eight hours daily labour is enough for any human being, and under proper arrangements sufficient to afford an ample supply of food, raiment and shelter, or the necessaries and comforts of life, and for the remainder of his time, every person is entitled to education, recreation and sleep.“ Robert Owen
200 Jahre nachdem der britische Unternehmer und Sozialist Robert Owen die Bewegung für den Acht-Stunden-Tag ins Leben gerufen hat, erleben wir eine neue Ära der Arbeitswelt. Die digitale Technologie und die sich wandelnde Natur der Arbeit haben eine flexible, aber auch prekäre Wirtschaft geschaffen. Der traditionelle Begriff von „Arbeit“ ist nicht länger an einen bestimmten Ort oder feste Zeiten gebunden. Die Arbeit ist in alle Bereiche unseres Lebens eingedrungen, und oft fällt es schwer, zu definieren, was Arbeit ist und was nicht. New Work* ist das Schlagwort der Stunde.
Punchcard Economy: 8 Hours Labour von Sam Meech ist eine künstlerische Reflexion über Owens Erbe und die gegenwärtige Realität. Durch ein maschinengestricktes Banner stellt der Künstler Überlegungen zur nordwestlichen Textilproduktion an und dokumentiert dabei gleichzeitig die Vielfalt moderner Arbeitsmuster. 2015 sammelte Meech zu diesem Zweck Daten von einer Vielzahl von Arbeitskräften, insbesondere aus den Bereichen Digitalisierung, Kreativwirtschaft und Kultur. Diese übertrug er auf die Maschenkarten (Punchcards) der Strickmaschine und arbeitete sie in Form von unregelmäßigen Mustern ein. Seitdem arbeitet Meech weiter an diesem Konzept, wobei er die Lochkarte metaphorisch als Symbol für die digitale Entwicklung und die gleichzeitige Kontrolle von Arbeits- und Zeitsystemen einsetzt.
Im Rahmen einer Performance im Kunsthaus wird Sam Meech am 14. Juni einen symbolischen Acht-Stunden-Arbeitstag absolvieren, inklusive einer halben Stunde Mittagspause. Gekleidet in Anzug und Krawatte und damit auf den Büroalltag vieler anspielend, wird er vor Ort an einem Banner stricken. Die Performance wird von Überwachungskameras aufgezeichnet, die nicht nur das Geschehen dokumentieren, sondern auch Meechs Rolle als Künstler und die Natur seiner Arbeit hinterfragen. „This is not the work“ ist auf dem Strickstück zu lesen, dessen Länge sich danach richtet, wie viel Meech in acht Stunden schafft. Die Institution zeigt also nicht Meechs Kunstwerk, sondern seine Arbeitszeit. Ein detaillierter Vertrag listet alle Kosten transparent auf, die damit verbunden sind – einschließlich einem angemessenen Künstler*innenhonorar gemäß der Fair Pay Richtlinien der IG Kultur. Dies unterstreicht die Transparenz und den Wert von Meechs künstlerischer Arbeit in einer Welt, in der die Grenzen zwischen Arbeit, Kunst und Leben zunehmend verschwimmen.