Für die Frühjahrsproduktion wirft das Theater im Bahnhof einen Blick auf Europa, packt seine Koffer und geht auf Reisen.
Anfangs war die EU ein schöner Traum von Gleichheit und offenen Grenzen. Wir waren stolz, dabei sein zu dürfen und haben mit dem roten Pass und der blauen Fahne gewachelt. Endlich groß und nicht mehr nur Graz oder Österreich. Heute hat Europa seinen Glanz verloren. Es ist uns langweilig, manchmal peinlich. Es ist zerstritten. Und – seien wir uns ehrlich – es ist ein bisschen unsympathisch.
Aber wir wollen uns beiden eine Chance geben. Es sind ja auch Wahlen, manche sagen, es sind die wichtigsten für eine friedliche Zukunft dieses Kontinents.
Für die Inszenierung erlebt das gesamte TIB-Ensemble europäische Blind Dates: Jede*r unternimmt eine Reise. Der Plan der Graz Linien wurde dafür über die Europakarte gelegt. Dieses Crossmapping hat die Reiseziele bestimmt: dort, wo die Haltestelle, die ihrer jeweiligen Wohnung am nächsten ist, in Europa liegt, dort fahren sie jeweils hin. Die TiB-Blind Dates sind Kaunas, Ostrava, Cluj, Memmingen, Bastogne, Valkenburg, Wroclaw, Vade Havet, Kassel, Stuttgart, Straßburg, Leipzig, Cherbourg, Erfurt.
Gemeinsam werden Ähnlichkeit und Differenz, Verbindendes und Spaltendes, Unterschiede und Gemeinsamkeit gesucht. Finden wir einen europäischen Gedanken, eine Gemeinsamkeit, die über die internationalen Handelsketten hinausgeht? Sind wir noch zusammen?
Danach kehrt das TiB wieder nach Graz zurück und verarbeitet seine Recherchen, Mitbringsel und Aufzeichnungen in eine Europa-Trilogie von drei verschiedenen Theaterabenden. Zusammen wird es ein europäisches Panorama der persönlichen wie politischen Einzelstimmen werden und vielleicht die Frage beantworten: Können wir noch miteinander?
OST: von und mit Heike Barnard, Juliette Eröd, Lorenz Kabas, Monika Klengel, Helmut Köpping und Rupert Lehofer
MITTE: von und mit Johanna Hierzegger, Pia Hierzegger, Eva Hofer, Christina Helena Romirer, Moke Rudolf-Klengel und Martina Zinner
WEST: von und mit Jacob Banigan, Beatrix Brunschko, Ed.Hauswirth, Gabriela Hiti, Elisabeth Holzmeister und Helene Thümmel
Gesamtleitung: Ed. Hauswirth, Johanna Hierzegger, Monika Klengel und Helmut Köpping
Ausstattung: Heike Barnard, Johanna Hierzegger, Christina Romirer und Helene Thümmel
Technische Leitung: Moke Rudolf-Klengel
BLIND DATE OST:
„Wer soll das bezahlen?“, fragt sich der Teil des TiB-Ensembles, der in Tschechien Industriedenkmäler aufgesucht und Höhenangst überwunden hat, in Rumänien Hafer-Cappuccino getrunken und eine Zeitreisemaschine bestiegen hat, in Polen einen Stuhl auf offener Bühne verbrennen sehen hat und in Litauen und Polen Konzentrations- und Vernichtungslager besucht und bei -30 Grad am zugefrorenen Haff gestanden hat. Nagelneue elektrische Busse, gute Verbindungen, Europafahnen und ein Gedicht:
Zahnlos neben Porsche
Mit der Stadt enden auch die Straßen
Kra Kra Europa.
BLIND DATE MITTE:
Die Mitte Europas, das ist tatsächlich Deutschland und so fühlt es sich auch an.
Von dort blickt man in alle Richtungen und man ist auch mittendrin, aber sieht man so auch gut? Können wir uns auf die fade verlässliche Mitte noch verlassen?
In Graz sind wir sehr glücklich mit unseren zentralen Wohnadressen, doch wir waren enttäuscht, dass uns das Crossmapping alle nach Deutschland gebracht hat. Ach schade, nur Deutschland. Sind wir noch zusammen? Wir haben uns darauf eingelassen und waren überrascht.
BLIND DATE WEST:
Wenn man in den Westen fährt, erwartet man sich wenig Neues. Es sollte eigentlich alles so sein wie bei uns, außer dass die Sprache verschieden ist. Aber in der konkreten Erfahrung ist es doch ganz anders. Und überall gibt es Spuren des Krieges, die inzwischen auch gut für Tourismus sind. Inszenierungen und Fassaden gehören dazu. Es gibt teure Museen auf höchstem Niveau. Europa als permanente Ausstellung. Und dann merkst du an den Zugangskontrollen, wie weit Graz schon im Osten liegt. Wird der zeitgenössische Gemüseanbau auch einmal im Museum landen? Es reg- net und regnet und dir dringt die Nässe durch alle Kleider. Sind die Dächer